Synthetische Kraftstoffe als Ergänzung zur E-Mobilität

18. Oktober 2021

Porsche baut in Chile eine Pilotanlage für E-Fuels auf. Schon 2022 sollen die E-Fuels eingesetzt werden. Parallel soll der 911 auf den neuen Sprit vorbereitet werden.

Auf einem Bein kann man nicht stehen, weiß der Volksmund. Diese Ansicht vertritt auch Porsche in Bezug auf die Elektromobilität: "Wir glauben weiter an den Dreiklang aus klassischen Verbrennern, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos wie dem Taycan", sagt Michael Steiner. Die beiden Erstgenannten hat der Entwicklungsvorstand beim Thema E-Fuels im Blick, in das der Hersteller nun stärker einsteigt. Es soll ein Baustein sein, um als Autohersteller bis 2030 bilanziell CO₂-neutral zu sein.

E-Fuels als Perspektive für Verbrenner und PHEVs

Die Technologie sei vor allem deshalb wichtig, weil der Verbrennungsmotor die Autowelt noch viele Jahre dominieren werde, sagt Steiner. Allein deshalb, weil die Bestandsflotte fast ausschließlich Autos mit Verbrennungsmotoren enthält. "E-Fuels müssen aus unserer Sicht mit bestehenden Motoren funktionieren, weil unsere Fahrzeuge sehr lange gefahren werden", so der Porsche-Manager. Eigene Motoren wolle man für die synthetischen Kraftstoffe nicht entwickeln, auch Anpassungen bei älteren Triebwerken sollen möglichst ausbleiben. Plug-in-Hybride wiederum könnten dank E-Fuels nicht nur beim elektrischen Betrieb in der Stadt, sondern auch auf der Langstrecke CO2-reduziert fahren.

Für die Herstellung von E-Fuels, die sowohl synthetischer Diesel als auch Benzin oder Gas sein können, ist regenerativer Strom die Grundvoraussetzung. Idealerweise handelt es sich dabei um überschüssigen Wind- oder Solarstrom, den das Netz nicht aufnehmen kann. Mit diesem Strom wird Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff (O₂) und Wasserstoff (H₂) gespalten. Letzterer wird mit Kohlendioxid (CO₂) verbunden, das zum Beispiel als Abfallprodukt aus anderen industriellen Prozessen anfällt und sich auch aus der Umgebungsluft extrahieren lässt.

Vorteile beim Abgasverhalten

Am Ende der Kette stehen Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren, die sich in ihren Grundeigenschaften nicht von erdölbasiertem Sprit unterscheiden, aber CO₂-neutral produziert werden. Auch bei den Emissionen, die am Auspuff entstehen, erkennt Porsche bereits nach einer kurzen Forschungs-Phase Vorteile: "Wir sehen weniger Partikel, weniger NOx (Stickstoffoxide; d. Red.) – es geht in die richtige Richtung", sagt Frank Walliser, der bei Porsche die Sportwagen-Projekte leitet, in einem Interview mit der britischen Fachzeitschrift "Autocar".

Porsche will sich vor allem in technischer Hinsicht einbringen. "Wir wollen die E-Fuels im ersten Schritt den konventionellen Kraftstoffen beimischen", sagt Michael Steiner. Später will Porsche die Kraftstoffe aber auch selbst designen, damit sie als einziger Sprit verwendet werden können. Denn eins ist klar: Die E-Fuels müssen auch mit Porsches Hochleistungs-Motoren sowie den Triebwerken in Oldtimern funktionieren. Nachteile gegenüber herkömmlichen Kraftstoffen dürfe es nicht geben; als warnendes Beispiel führt Steiner die E10-Einführung an.

55 Millionen Liter bis 2024

Wie die Produktion der Kraftstoffe funktionieren könnte, testet Porsche ab 2022 im windigen Süden Chiles. In der in der Region Patagonien gelegenen Stadt Punta Arenas baut der ortsansässige Energiekonzern Andes Mining & Energy (AME) zusammen mit dem Autohersteller sowie Siemens Energy und dem italienischen Stromversorger Enel die Pilotanlage "Haru Oni" auf. Deren anfangs kleines Volumen von 130.000 Liter bis Ende 2022 soll innerhalb der folgenden zwei Jahre so weit hochgefahren werden, dass bis dahin 55 Millionen Liter synthetischen Kraftstoffs produziert werden. Bis 2026 wollen die Partner gar die zehnfache Menge herstellen.

Sollte man gut vorankommen mit der Forschung, könnten schon ab 2024 alle weltweit neu verkauften 911 Carrera mit 100 Prozent E-Fuels versorgt werden, so Steiner dem Fachblatt "Automobilwoche" zufolge. Und das, ohne den Verbrennungsmotor per Modifikationen an den neuen Kraftstoff anpassen zu müssen. "Der 911 eignet sich besonders für den Einsatz der E-Fuels", sagt der Entwicklungsvorstand. Legt man den 911-Jahresabsatz 2019 zugrunde, müsste der Sprit für 34.800 Autos reichen.

Porsche fordert faire CO₂-Besteuerung

Nachdem die ersten Erfahrungen mit Pilotanlagen wie in Chile gesammelt wurden, will Porsche helfen, dass die Kraftstoffe irgendwann auf Industrieniveau produziert werden können. Noch sei der CO₂-neutrale Sprit zwar deutlich zu teuer. "Aber wenn man das skaliert, sehen wir schon eine Chance, dass die Kraftstoffe irgendwann preislich wettbewerbsfähig sind", sagt Steiner. Dazu müssten die unterschiedlichen Kraftstoffarten jedoch eine faire CO₂-Besteuerung erhalten. Im großen Maßstab müsse in dieser Hinsicht politisch und regulatorisch viel passieren.

Doch wo gibt es überhaupt überschüssigen regenerativen Strom? In Deutschland eher nicht. Aber zum Beispiel Südamerika biete Überschüsse, die man für E-Fuels nutzen könne. Außerdem gibt es in der Region Patagonien, in der die chilenische Pilotanlage gebaut wird, gute Wetterbedingungen: Hier herrschen beständig starke Winde aus der Antarktis vor, was den Wirkungsgrad der Anlage steigert.

Perspektive für den Motorsport

Daran schließt ein weiterer Vorteil der synthetischen Kraftstoffe an: Für die Lagerung und den Transport kann dieselbe Infrastrutur wie für fossile Kraftstoffe genutzt werden. E-Fuels im Tanker, Bahnwaggon oder Lastwagen, mit dem heute Benzin und Diesel transportiert werden? Kein Problem, sagt Michael Steiner. Und E-Fuels böten eine weitere Perspektive, die für einen Hersteller wie Porsche sehr wichtig ist: einen Einsatz im Motorsport. "Den ersten Kraftstoff aus Chile werden wir ab 2022 unter anderem in unseren Rennwagen des Porsche Mobil 1 Supercup einsetzen", sagt Steiner. In Bezug auf E-Fuels gibt es für den Entwicklungsvorstand "für hochwertigen und nachhaltigen Motorsport keine Alternative".

Ein CO₂-neutraler flüssiger Kraftstoff, mit dem Bestandsmotoren betrieben werden können? Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Dass man ganz am Anfang der Entwicklung stehe, gibt auch Michael Steiner zu: "Wir glauben, dass E-Fuels in zehn Jahren an der Tankstelle verfügbar sein werden. Bis dahin werden sie fossile Brennstoffe aber nicht ersetzen."

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