1961 reichten 60 PS, um sich richtig sportlich zu fühlen – dank dem Porsche 356 B 1600.
Da uns der nachfolgende Beitrag von @zwischengas sehr gut gefallen hat, möchten wir ihn gerne mit euch teilen: Er wurde ganz offiziell „Dame“ genannt, der Porsche 356 B 1600, das Einstiegsmodell in den Porsche-Himmel. 12.700 DM oder 16.500 Franken musste aufbringen, wer sich einen Basis-Porsche mit 1,6 Litern Hubraum und 60 PS leisten wollte. 60 PS tönt nach wenig in einer Zeit, wo selbst der kleinste Diesel mehr Pferdestärken aufweist. Anfang der Sechzigerjahre aber reichten 60 PS beim Porsche für Tempo 164 km/h. Damit gehörte man zu den Schnellsten auf den ersten Autobahnen, denn ein VW Käfer, den die halbe motorisierte Menschheit in unseren Breitengraden zu fahren schien, leistete nur schmächtige 34 PS. Diese Pferdestärken brachten ihn auf 115 km/h, womit der Käfer für den Porsche zum Verkehrshindernis wurde.
Wer in jenen Jahren den Porsche wegen seiner Volkswagen-Gene kritisierte griff zu kurz. Zwar war der Typ 356 ab 1950 sehr wohl mit vielen Teilen aus dem VW-Regal entstanden, doch mit jedem Baujahr verringerte sich konstruktive Ähnlichkeit. Bereits der ab 1955 gebaute 356 A entfernte sich sowohl optisch als auch leitungsmäßig deutlich vom Käfer, der ab Baujahr 1959 gebaute 356 B wies nur noch wenige Gleichteile mit dem Volkswagen auf, so etwa die beiden Vorderachs-Traghebel und -Lagerbügel, die Hinterachswelle, das Kegelrad und das Gehäuse für das Ausgleichsgetriebe. Der Rest war Fabrikat Porsche oder stammte von einem sorgfältig ausgesuchten Zulieferbetriebes wie z.B. die Firma Reutter, die Rohkarossen lieferte.
Von Anfang an saß der Motor wie beim Käfer im Heck, also hinter der Hinterachse. Wie beim Käfer handelt es sich um einen luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotor. Ein Kastenrahmen aus Stahlblech trug die damit verschweißte Karosserie und die vier Einzelradaufhängungen. Während vorne im 356 B zwei Kurbellängslenker und Quertorsionsstabfedern für den Bodenkontakt sorgten, tat hinten eine Pendelachs-Konstruktion ihren Dienst. Gebremst wurde rundum mit Trommeln, erst das Modell 356 C wurde ab 1964 mit Scheibenbremsen versehen. Nach drei Baujahren wurde die erste Variante des 356 B, auch T5 genannt, nochmals optisch etwas aufgepeppt. Die T6-Variante wies größere Scheiben hinten und vorne, zwei Kühlergitter für mehr Luftzufuhr zum Motor, einen außenliegenden Tankverschluss und einige Verbesserungen im Bereich der passiven Sicherheit auf.
Mit dem Typ 356 B bewegten sich die Porsche-Entwickler eindeutig in Richtung mehr Komfort, Wertigkeit und Sicherheit. Dies hatte natürlich damit zu tun, dass Amerika ein sehr wichtiger Abnehmermarkt war und dass schon damals Leute, die sich für maximale Fahrleistungen mit einem Minimum an Komfort zufriedengaben, in der Minderzahl waren. Für mehr Sicherheit waren die Stoßstangen im Vergleich zum Vorgänger 356 A vorne um 95 und hinten um 105 mm nach oben gewandert. Auch die Scheinwerfer wurden angehoben, um die Lichtbeute zusammen mit dem Einbau von asymmetrischem Abblendlicht zu verbessern. Die Leichtmetall-Trommelbremsen hatten 72 axiale Kühlrippen erhalten. Das Getriebe war verbessert und mit einem kürzeren Schalthebel gekoppelt worden. Blinker, Abblendung und Lichthupe konnten jetzt mit Lenkstockhebeln betätigt werden. Auch der Sitze hatte man sich angenommen und hinten statt der früheren Sitzbank zwei Sitzschalen mit umklappbaren Rückenlehnen zur Schaffung zusätzlicher Transportkapazität eingebaut. Vorne gab es nun auch für das Coupé Ausstellscheiben. Zur Verbesserung des Geräuschkomforts war an verschiedensten Stellen Dämmmaterial verbaut worden, was zusammen mit den übrigen Maßnahmen auch zu einer Erhöhung des Leergewichts zunächst 20 kg gegenüber dem 356 A, schließlich im letzten Baujahr 1963 aber ganzen 65 kg führte.
Von den reinen Leistungsdaten und Fahrleistungen rechtfertigte ein Porsche 356 B 1600 im Jahr 1960 den Begriff Sportwagen sicherlich nicht mehr vollständig. Schnelle Mittelklasselimousinen beschleunigten in kürzerer Zeit auf 100 km/h als die 15,4 Sekunden, die die Dame benötigte. Amerikanische Straßenkreuzer wiesen schon lange Motorleistungen vor, die im dreistelligen PS-Bereich waren, da fühlten ich die 60 PS des 356 doch eher schmächtig an, auch wenn sie dank guter Aerodynamik Geschwindigkeiten von über 160 km/h erlaubten. Der Normverbrauch (nach DIN 70030) lag bei bescheidenen 7,6 Litern pro 100 km, im Test wurden daraus dann 11,2 Liter Superbenzin. H. U. Wieselmann verglich in der Zeitschrift ‘Auto Motor und Sport’ die drei Porsche-Modelle 1600, 1600 Super (75 PS) und Super 90 (90 PS) des Jahres 1960 miteinander und kam zum Schluss, dass die Porsche-Fahrzeuge halt eben perfekter als “normale Gebrauchswagen” seien. Und dies hatte seiner Meinung nach wenig mit der Leistung zu tun, sondern vor allem mit dem Streben nach stetigen Verbesserungen. “Wer geräuschlos, kommode, mit möglichen 160 km/h schnell genug und außerdem ein individuelles Auto mit der Bedürfnislosigkeit eines VW fahren will, der wird sich für die Dame, den 1600 Normal entscheiden”, schrieb Wieselmann und empfahl den Super 90 höchstens für den Sportfahrer mit entsprechendem Budget. Mit diesem Urteil gingen auch die Mannen von ‘hobby’ einig und sie setzen die Porsche-Modelle 1600 und 1600 S auf die vordersten Plätze eines Sportwagen-Vergleichstests, bei dem auch der MG A, der Mercedes Benz 190 SL, der Alfa Romeo Giulietta Sprint, der Sunbeam Alpine und der Triumph TR3 antraten. Dass ihnen bei der Abrechnung ein Rechenfehler unterlief, sei den Hobby-Machern verziehen.
Setzt sich der moderne Autofahrer in den Porsche 356, so staunt er erstmals, wie einfach der Wagen zu fahren ist. Man muss kaum umlernen, sofern man das Zündschloss nicht auf der falschen (rechten) Seite sucht. Der Motor klingt ein wenig nach Käfer, das erstaunt kaum. Er startet willig und ist leiser, als man es vielleicht auf Anhieb erwartet hätte. Nur den Kraftstoff-Dreiwegehahn sollte man nicht unbeachtet lassen. Steht er auf “Zu”, dann geht dem Vierzylinder-Boxermotor im Heck schnell die Puste aus. Das Getriebe gibt keine Rätsel auf und flott kann es losgehen. Bei 4500 Umdrehungen warnt der Drehzahlmesser mit dem roten Bereich, dass jetzt das Ende der Drehfähigkeit des Motors gekommen sei, notabene bei Umdrehungszahlen, die heutzutage selbst von den meisten Dieselmotoren spielend überwunden werden. Und das soll ein Sportwagen sein? Nun, die Sportlichkeit eröffnet sich einem erst im Gesamterlebnis. Für heutige Begriffe sind 905 kg absoluter Leichtbau und diese Leichtigkeit des Seins beflügeln auch 60 PS. Dabei fühlt sich der Porsche auch im rüstigen Alter im Halbjahrhundertbereich sehr robust und sicher an. Kompakt ist er mit knapp vier Metern Länge und 1,67 Metern Breite sowieso.
30.963 Porsche 356 B Modelle (inklusive Carrera-Varianten) wurden gebaut, vom 1600 Normal T5 waren es exakt 8.559, während die T6-Normalversion es nochmals auf 4.346 Stück brachte. Das sind aus heutiger Sicht geringe Stückzahlen, doch haben davon sehr viele überlebt, denn sie wurden gehätschelt und geliebt. Selbst heute lässt der kleine Porsche-Vierzylinder niemanden unberührt, die Kinder drücken sich auch in der Zeit von Gameboy und Smartphone noch die Nase an der Seitenscheibe platt und staunen darüber, dass der Motor da ist, wo man eigentlich den Kofferraum erwartet hätte, während vorne vor allem Tank und Reserverad untergebracht sind. Es ist kein Zufall, dass der Porsche 356 auch als Oldtimer sehr beliebt ist, verbindet er doch geringe Ansprüche mit einfacher Fahrbarkeit. Nur Kaufpreise, Unterhalts- und Restaurierungskosten auf Käferniveau sollte man nicht erwarten. Der 356 mag ein kleiner Porsche sein, bei den Preisen gehört er aber zu den Großen.
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